Kein Alkohol ist auch keine Lösung?
- Teddy
- 18. Juni 2023
- 3 Min. Lesezeit
Endlich Freitag Nachmittag, ab nach Hause, Duschen, Essen und dann mit den Kumpels in die Dorfkneipe. Dort dann Smalltalk, Schocken bis die Würfel qualmten oder die paar Kröten aus dem Ausbildungsgehalt im ersten Lehrjahr in Höhe von 245 DM verballert waren. 245 DM hören sich vielleicht zunächst viel an: 80 DM kassierten meine Eltern, 80 DM legten sie für Kleidung und Co weg, blieben noch ca. 80 DM für Freizeit. Verteilt auf über 4 Wochenenden im Monat und einem Kölschpreis von 1 DM bei Clemens... na ja, ich war nicht derjenige aus unserer Clique, der die Idee hatte Zucker in's Bier zu kippen, damit die Dröhnung stärker war...
Übrigens Marion, die Wirtin und Frau von Clemens war nicht diejenige, die uns zum Trinken verleitet hat, nein sie meinte nur andauernd, wenn unser Glas schon wieder leer war und wir gerade kalkulierten, ob wir uns noch ein Bier leisten konnten: "Hier ist kein Wartesaal."
Naja, wir haben alle eine strenge "Old-School-Erziehung" nicht genossen, sondern hinter uns gebracht und sahen uns immer und überall genötigt, das zu tun, was einem Eltern, Lehrer, Erwachsene und besonders Wirte sagen. So schmissen wir unsere Kohle zusammen oder machten einfach 'nen Deckel, den wir am nächsten Ersten bei einem Bier bei Clemens auslösten.
So startete der Monat mehr als einmal schon im Minus.
So wurde Woche für Woche der Frust, den wir glaubten durch die Arbeit aufgebaut zu haben ein Mal die Woche herunter gespült. Mit dem Lohn stieg auch unser Durst und die Events, an denen "gefeiert" werden konnte häuften sich. Ja wir lebten von Event zu Event.
Später kam die Familie ins Spiel: Frau und Kinder. Die Freitage waren dann irgendwann gestrichen. Ich war nie derjenige, der sich alleine betrinkt um dann den Katzenjammer an der Familie auszulassen. Natürlich bin ich auch, wenn auch nicht mehr ganz so oft, mit meiner Frau losgezogen. Es gab auch sonst so manchen Anlass, bei dem ganz selbstverständlich, ohne zu überlegen gebechert wurde.
Später waren die Kneipenbesuche deutlich weniger. Zunächst durch das allgemeine Aussterben der Kneipenkultur, wie wir sie kennen gelernt haben, spätestens aber durch Corona.
Rückblickend ist es trotzdem erschreckend, wieviele Events es trotzdem noch waren, bei denen dann, vielleicht manchmal nicht mehr so viel wie früher, gebechert wurde: Karneval sowieso, Familienfeier sowieso, Party bei Bekannten und Freunden erst recht. Natürlich schmeckt zu einem guten Dinner natürlich ein guter Wein, oder zwei?
Geht man auswärts Essen ist der Absacker obligatorisch, beim Griechen der Ouzo, beim Türken der Raki, beim Jugoslawen der Sliwowitz und beim Chinesen der Pflaumenwein.
So schleicht sich mehr oder weniger unbemerkt sehr schnell sehr viel Alkoholkonsum in das tägliche Leben schon fast als Routine ein. Außer möglicherweise am nächsten Tag tut es ja auch nicht weh. Ja und überhaupt, es machen ja alle. Der eine mehr, der andere weniger.
Vor einigen Jahren nach einigen durchzechten Karnevalstagen beschlossen Kerstin und ich tatsächlich mal die Fastenzeit ab Aschermittwoch bis Ostern zu nutzen um dann einfach keinen oder besser gar keinen Alkohol zu trinken. Es wahr schon sehr ungwohnt, da tatsächlich auch noch ein paar wenige Feiern in diese Zeit fielen. Insgesamt merkten wir jedoch, dass diese Abstinenz uns eigentlich ganz gut tut und der Kopf am nächsten Morgen doch viel freier ist.
So beschlossen wir unsere Abstinenz noch auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.
Das ist bis heute eine sehr spannende Zeit. Von den meisten Leuten, gerade auf feuchtfröhlichen Partys werden wir zunächst mit Unverständnis bedacht: Was? Ihr trinkt kein Alkohol? Warum das denn?
Scheinbar ist es in unserer Gesellschaft das Selbstverständlichste sich auf ner Party die Kante zu geben.
Gott sei Dank haben wir ein Naturell, dass wir auch fröhlich und alber sein können, wenn wir nüchtern sind. Kerstin ist beispielsweise schon mal auf ner Party vom DJ angesprochen worden, dass ich ja wohl hackedicht sein müsste, weil ich so verrückt getanzt habe. Das Gegenteil war der Fall.
Manch einer kommt damit aber nicht klar. Ein guter Bekannter sprach uns vor einigen Jahren an, dass mit und ja nichts mehr los sei. Wir wussten aber, dass er unser damaliges Mittrinken nur dazu benutzt hat, um seine Alkoholsucht und sein überschnelles Trinken vor seiner Frau und den anderen Gästen damit zu verstecken.
So haben wir schon viel Spaß auch ohne Alkohol auf vielen Feiern gehabt. Bis zu einem gewissen Punkt. Wenn man die dann meist genuschelte Sprache der stark alkoholisierten Gäste nicht mehr versteht, ist meist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir uns verabschieden. Das ist dann wahrscheinlich so, als wenn auch nur 2 Bayern sich untereinander verstehen können.
Mittlerweile trinken wir zu wirklich besonderen Anlässen ohne den Vorsatz uns zu betrinken ganz gerne mal ein Gläschen Wein. Allerdings mit Genuß. Wie so oft bestätigt sich die Lebenweisheit wieder mal:
Alles in Maßen und nicht in Massen.
Zum Wohlsein!
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